Impfwirrwarr
Fast täglich werden in
jüngster Zeit Fragen gestellt zur Notwendigkeit von Impfungen von
Hund und Katze. Durch widersprüchliche "Informationen" aus dem
Internet irritiert fragen Tierbesitzer immer häufiger: "Sagen Sie
mal, Frau Doktor! Diese einmal jährliche Impfung meiner
Katze/meines Hundes nützt doch bloß der Pharmaindustrie und
Ihnen, gelle?"
Oder: "Im Internet/in der
Tiersendung ...... , wissen Sie, ich schau das so gerne, haben sie
neulich gesagt, dass in den Impfstoffen Quecksilber und anderes Zeug
ist, das den Tieren schadet und dass der Impfschutz sowieso länger
wirksam ist, als ein Jahr!"
Oder: "Ich hab gelesen, dass man gegen Tollwut nur noch alle 3 Jahre impfen muss, stimmt das?"
Die der Geldschneiderei
bezichtigte Tierärztin für Kleintiere möchte das nun
nicht so gerne auf sich sitzen lassen, holt tief Luft und wartet
zunächst einmal mit folgenden Fakten auf:
1. Eine Novelle der
Tollwutverordnung besagt, dass Tollwutimpfungen nicht mehr generell ein
Jahr Gültigkeit haben, sondern dass die vom Impfstoffhersteller
auf der Packung angegebene Frist eingehalten werden darf.
2. Inzwischen haben mehrere Impfstoffhersteller (Essex, Pfizer, Merial,
andere werden folgen) ihre altbewährten Tollwutimpfstoffe beim
Paul-Ehrlich-Institut überprüfen lassen und eine Zulassung
für die Empfehlung dreijähriger (Hund), bzw.
vierjähriger (Katze, Essex-Vakzinen) Impfintervalle erhalten.
3. Wir Tierärzte können also nach abgeschlossener
Grundimmunisierung, d.h. nach mindestens einer Tollwutimpfung im Alter
ab 12 Wochen und einer ersten Impfauffrischung nach einem Jahr die
Empfehlung geben: "Die nächste Tollwutimpfung sollte man
spätestens in 3 Jahren machen.
4. Dies gilt nur für die Tollwutimpfung und nur dann, wenn der
Hund/die Katze nicht innerhalb besonders gefährdeter Bezirke
gehalten wird oder beispielsweise im Urlaub dorthin verbracht wird.
Dort verlangen die örtlichen Behörden nach wie vor die einmal
jährliche Impfung (z.B. bestimmte Landkreise in Bayern). Für
Skandinavienurlauber und Reisende nach Großbritannien gilt nach
wie vor: Nur wer einen humoralen Antikörpertiter (im Blut
nachweisbare Abwehrstoffe) von mindestens 0,5 IE nachweist, erhält
die Einreiseerlaubnis. Um diesen hohen Titer zu erreichen, sind gerade
beim Welpen oft zwei Tollwutimpfungen im Abstand von 4 Wochen
erforderlich, obwohl auch ein sehr viel niedrigerer Titer einen
ausreichenden Schutz bieten würde.
5. Darüberhinaus scheint mir nicht sicher, dass jeder Zöllner
an innereuropäischen Grenzen genau weiß, welcher Impfstoff
in Deutschland eine Zulassung für ein Jahr oder für 3 Jahre
hat. Im Zweifelsfall wird er Probleme bei der Einreise machen, wenn die
letzte Impfung länger als 12 Monate zurückliegt. Dies ist der
Grund, weshalb selbst von den Firmen mit verlängerter Zulassung
die Empfehlung gegeben wird, reisewütige Haustiere weiterhin
jährlich zu impfen.
6. Es reicht nicht, sein Haustier nur gegen Tollwut zu schützen.
Hunde sollten auf jeden Fall einen ausreichenden Schutz gegen Staupe,
Hepatitis, Parvovirose, Leptospirose, Tollwut haben. Darüber
hinaus kann man sie noch gegen Zwingerhusten, Borreliose und
Zuchthündinnen gegen die Herpesinfektion impfen. Katzen sollten
mindestens gegen Katzenschnupfen, Panleukopenie und Freigänger
auch gegen das feline Leukosevirus (FeLV) und Tollwut geimpft sein.
Eventuell ist noch eine Impfung gegen Chlamydien oder bei Jungtieren
gegen FIP sinnvoll.
7. Auch hier gilt: Eine dauerhaft belastbare Immunität erhält
man nur durch eine pünktlich durchgeführte
Grundimmunisierung. Diese beinhaltet eine Erstimpfung im Alter von 8
Wochen (in Hundezuchten kann zusätzlich eine vorausgehende Impfung
von Welpen in der 6. Woche mit einem Puppy Impfstoff angezeigt sein),
eine Boosterimpfung in der 12. Lebenswoche, sowie eine erste
Impfauffrischung nach einem Jahr. Impfstoffhersteller, Virologen und
viele Tierärzte empfehlen beim Welpen noch eine dritte Impfung in
der 16. Woche, weil immer wieder sogenannte "Impfversager" auftreten,
die aufgrund von maternalen Antikörpern, die länger als 12
Wochen im Blut der Welpen vorhanden sein können und eine
Immunreaktion auf das Impfantigen verhindern, bei hohem Infektionsdruck
erkranken.
8. Nach abgeschlossener Grundimmunisierung kann über weitere
Impfauffrischungen ein individueller Impfplan für das erwachsene
Tier erstellt werden unter Berücksichtigung der vom
Impfstoffhersteller gegebenen Empfehlung und der jeweiligen
Haltungsbedingungen des Tieres.
9. Fakt ist, dass nur aufgrund flächendeckender Impfung eines
Großteils unserer Hundepopulation in den letzten Jahren
größere Epidemien oft tödlicher Erkrankungen wie Staupe
oder Parvovirose verhindert wurden. Bei zunehmender Impfmüdigkeit
würde dieser Erfolg der Veterinärmedizin wieder in Frage
gestellt. Auf Katzen trifft diese Erfolgsstatistik ohnehin nicht zu,
weil ein viel zu niedriger Anteil der Katzenpopulation, insbesondere
der Freigänger gegen Schnupfen, Katzenseuche und FeLV geimpft ist.
Der Infektionsdruck von Caliciviren z.B. ist sehr hoch, darüber
hinaus verändern sich diese Viren rel. häufig, so dass sogar
bei geimpften Tieren immer wieder ein latenter Katzenschnupfen und
seine Folgeerkrankungen festgestellt werden. Mit flächendeckenden,
gezielten Impfmaßnahmen mit modernen Schnupfenimpfstoffen
könnte man diese Rate sicherlich senken. Hier wird eher zu wenig,
als zu viel getan.
10. Viel wird geschrieben und gesagt über die Schädlichkeit
von Impfungen. Impfadjuvantien wie Thiomersal oder Aluminiumhydroxid
könnten Gewebsreizungen verursachen, Fremdproteine
(Eiweißrückstände aus der Impfstoffherstellung)
könnten allergisieren, Schmerzen, Urticaria oder gar
Schockreaktionen auslösen. Auch Autoimmunreaktionen werden
diskutiert und bei Katzen immer wieder die Entstehung von Fibrosarkomen
(injektionsbedingte Tumoren). Es sei hier sehr deutlich gesagt, dass
wir Tierärzte uns der Risken einer jeden Impfung bewusst sind,
aber es sei auch darauf hingewiesen, dass die beschriebenen
Komplikationen sehr, sehr selten sind (unter 0,2% der geimpften
Patienten sind betroffen). Dem gegenüber steht z.B. die hohe Zahl
von ca. 100 000 an Staupe verendeter Hunde anlässlich einer wenige
Jahre zurückliegenden Epidemie in Frankreich.
Unter Abwägung aller dieser Tatsachen können wir jedem
einzelnen Tierhalter anbieten, einen für sein Tier sinnvollen
Impfplan zu erstellen. In den meisten Fällen bleiben wir bei
unserer bisherigen Empfehlung, einmal grundimmunisierte Tier weiterhin
jährlich zu impfen. Wir machen darauf aufmerksam, dass bei dieser
Gelegenheit jedes halbwegs kooperative Tier gründlich untersucht
wird (Stichwort Vorsorge und Früherkennung) und dass der
Kostenfaktor auch bei der alternierenden Impfung von Kombi - und
bestimmten Monovakzinen nur unwesentlich ins Gewicht fällt. Es
handelt sich um eine Differenz von 5 bis 10 Euro jährlich.
Natürlich werden wir bei unserer Impfempfehlung
berücksichtigen, ob Ihre Katze in der Wohnung oder auch
draußen gehalten wird, ob Ihr Hund nur vor Ort bleibt oder mit
Ihnen verreist, ob Ihr Haustier eine Allergieneigung hat, etc.
Fragen Sie uns und entscheiden Sie mit uns gemeinsam. Vielen Dank!