Kastrieren, Sterilisieren
oder der Natur ihren Lauf lassen?


So mancher Tierhalter von Hund oder Katze, der sich vor wenigen Monaten in einen 8 bis 10 Wochen alten Welpen verliebt hatte, ihn freundlich in seinem Heim aufnahm, um sich monatelang um seine Erziehung und Prägung zu sorgen, stellt plötzlich fest, dass mit dem Erwachsenwerden seines vierbeinigen Familienanhangs die Sorgen noch nicht zu Ende sind.

Spätestens wenn im zeitigen Frühjahr Kätzchen und Kater oder Hundemädchen und halbstarker Rüde sehr deutlich signalisieren, dass sie durchaus an der Weitergabe ihrer Gene, sprich Fortpflanzung, interessiert sind, stellt sich den meisten Haltern die Frage: "Wie kann ich diesen Welpensegen verhindern?"

Die einfachste, aber risikoreichste Methode wäre sicher, die rollige oder läufige Vierbeinerin oder das liebeskranke männliche Pendant unter strengem Verschluss zu halten und geduldig das Ende der heißen Phase zu erwarten. Aber selbst wenn das gelingt, wird so manches Frauchen/Herrchen feststellen, dass die nicht begattete Katze schon nach ganz kurzer Zeit (u.U. wenige Tage) erneut rollig wird, weil bei ihr kein Eisprung ausgelöst wurde, dass Kater ihr "Revier" mit Duftmarken (Urin) zu kennzeichnen pflegen und konkurrierende Artgenossen, so sie denn in die Nähe gelangen, mit Zähnen und Klauen und entsprechend eiternden Blessuren vertreiben. Dass viele Hündinnen einige Wochen nach ihrer Hitze Pantoffeln in ihr Lager schleppen, um sie liebevoll zu umhegen, bei Wegnahme der Errungenschaft durchaus aggressiv reagieren können und gar anfangen, Milch zu produzieren, obwohl von Schwangerschaft oder Wochenbett keine Rede sein kann irritiert die zweibeinigen Lebensgefährten oft sehr. Die Tatsache, dass Rüden selbst über große Entfernungen die Witterung einer paarungsbereiten Hundedame wahrnehmen können, trauern, winseln, ausbüchsen und so manchen Besitzer nächtens auf Fahrradpatrouille durch stille und friedliche Wohnstraßen zwingen, in denen irgendwo (s)ein Hund kläfft oder der geliebte, entrückte, vom Regen durchnässte Rüde wie ein Ölgötze vor irgendeiner Haustür ausharrt, um der Angebeten habhaft zu werden, ließ so manchen wüsten Fluch ertönen.
Der geneigte Leser wird unschwer erraten, dass da jemand aus Erfahrung spricht, pardon, schreibt.

Zusammenfassend darf also gesagt werden, dass Mutter Natur in der Haustierhaltung so ihre Tücken hat - auch gesundheitliche: Hündinnen, die regelmäßig scheinschwanger werden, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an Gesäugetumoren zu erkranken. Dauerrollige Katzen neigen zu Eierstockszysten, freilaufende Kater können sich bei Revierkämpfen schwere Infektionen einfangen und Hunde auf Brautschau, die nicht besonders auf Verkehrsregeln achten, können nicht nur selbst überfahren werden, sondern schlimme Unfälle verursachen.

Die leidgeprüfte Hundehalterin, die diese Zeilen schrieb, kann leider auch hiervon ein Lied singen.
Andererseits gibt es da die ambitionierten Züchter, die all das Geschilderte frohen Mutes ertragen, um im geeigneten Moment (Alter, Reife, Gesundheit, Lebensumstände, ....) neuen Hunde- oder Katzennachwuchs entstehen zu lassen. Von diesen soll hier aber nicht weiter die Rede sein; es würde hier zu weit führen.

Fast alle anderen Tierbesitzer fragen sich und ihren Tierarzt/ärztin also: "Wie kann ich das verhindern?" - und wundern sich, dass der/dieselbe kein Patentrezept parat hat.
Manche haben etwas von Spritzen oder Tabletten gehört, mit denen man die Haustiere "hormonell kastrieren", also sexuell ruhigstellen könne. Das ist zwar halbwegs richtig, vor allem kann man mit Gestagenen (Methylprogesteron und Proligeston) die Läufigkeiten von Hündinnen oder Rolligkeiten von Katzen unterdrücken, simuliert damit aber andauernde Gravidität (Schwangerschaft) und geht bei regelmäßiger Anwendung ein recht hohes gesundheitliches Risiko für das Tier ein. Untersuchungen belegen, dass bis zu 80 % der regelmäßig gespritzten Hündinnen in höherem Alter an Gesäugetumoren operiert werden müssen, ein höheres Risiko haben, an Stoffwechselstörungen oder zystischen Veränderungen der Gebärmutterschleimhaut und daraus resultierenden Gebärmutterentzündungen zu erkranken.

Alternativ hierzu bleibt die Unfruchtbarmachung durch eine Operation. Hierbei muss klar gestellt werden, dass sowohl weibliche, als auch männliche Tiere sterilisiert und kastriert werden können. Bei der Sterilisation werden lediglich Samen- oder Eileiter durchtrennt und unterbunden, aber am Sexualverhalten der Tiere ändert sich nichts: sie werden läufig, rollig, liebestoll - alles wie gehabt, nur befruchten können sie im Falle eines Deckaktes nicht mehr.

Die einzige Methode, die Bildung von Sexualhormonen, Spermien und Eizellen dauerhaft zu unterbinden, ist die Kastration, d.h. die Entnahme von Eierstöcken bzw. Hoden.
Bei Katze und Kater ist dies sicherlich die Methode der Wahl, schon um dem Multiplikationseffekt bei ungehinderter Fortpflanzung Einhalt zu gebieten oder die eigene Wohnung vor übelriechender Benetzung und dauerrollige Katzen vor Verhaltensstörungen zu bewahren.

Bei Hündinnen ist der optimale Zeitpunkt für einen solchen Eingriff kurz vor der Pubertät oder mit ca. 8 Monaten, bei Rüden etwas später. Früh kastrierte Hündinnen haben ein sehr geringes Risiko, jemals an Tumoren der Milchdrüse zu erkranken, früh kastrierte Rüden werden wohl niemals an Prostatazysten oder -Karzinomen leiden. Dass Eierstocks- und Hodentumoren niemals möglich sein werden, versteht sich von selbst.
ABER: Das Fehlen der Sexualhormone verändert signifikant die weitere Entwicklung der Hunde. Viele verfetten, wenn die Besitzer nicht entsprechend restriktiv füttern, später kastrierte Hunde werden auffallend ruhig, man könnte auch sagen träge, früh kastrierte dagegen behalten in den ersten Lebensjahren häufig ihr ausgeprägt jugendliches Verhalten bei, was einem erwachsenen Vierbeiner ja auch nicht immer so gut zu Gesicht steht.

Bei manchen meiner kastrierten Patienten beobachtete ich vermehrten Haarausfall, einige ehemals glänzende und langhaarige Hundedamen bildeten wenige Monate nach der Operation eine Art Welpenhaarkleid, kürzer, stumpf und flusig.
Weniger lustig als solche "Äußerlichkeiten" empfindet aber mancher Hundebesitzer die Blasenschwäche seiner Hundedame, die dem Fehlen von Östrogenen zugeschrieben werden muss und die verschiedenen Veröffentlichungen zufolge bei 5 bis 20 % aller kastrierten Hündinnen im Lauf der Jahre auftreten kann und entsprechend dauerhaft behandelt werden muss, um nicht die eigene Lebensqualität gen null sinken zu lassen.
Es möge jeder Hunde- oder Katzenhalter, selbstverständlich auch Besitzer von Kaninchen-, Meerschweinchen-, ... Risiken und Nebenwirkungen studieren, abwägen und dann die für sich hoffentlich richtige Entscheidung treffen. Für Kastrationen oder Sterilisationen bitten wir um rechtzeitige Terminabsprache, am besten so, dass die Besitzer einige Tage Zeit haben, ihr frisch operiertes Tier ein wenig intensiver zu betreuen. Selbstverständlich dürfen unsere Patienten ihre Narkose unter unserer Obhut ausschlafen, aber danach fühlen sie sich in ihrer häuslichen Umgebung bei ihren Menschen viel wohler und dürfen nach Hause (versehen mit Schmerzmedikamenten, Halskragen, etc.).



Für Fragen zu diesem Thema stehen wir gern zur Verfügung.

H. Egbering



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